01.
Aug
2018

1
min

Lektüre in der Adventszeit

Leseprobe aus dem "Zeitgenössischen Paterikon" von Maja Kutscherskaja, erhältlich bei Edition Hagia Sophia.

Vater Dorimedont hatte sich an Schokolade überfressen. Die Schokolade hatte ihm seine Mutter in einem Päckchen geschickt, und als Vater Dorimedont noch auf dem Rückweg von der Post war, hat er nach und nach aus Versehen alles aufgegessen.

Abends lag er auf seinem Lager und hielt sich den Bauch, und ans Einschlafen war nicht zu denken. Die Brüder hatten Mitleid mit ihm, tanzten Ringelreihen um sein Bett und sangen ihm das klösterliche Gutenachtlied. Aber Vater Dorimedont war nach wie vor wehmütig.

„Schaut doch, er hält sich am Bauch“, bemerkte einer der Mönche. „Wahrscheinlich ist er vor lauter Askese krank geworden. Ich werde ihm ein Stück Schokolade aus dem Kühlschrank holen, um ihm etwas Trost zu spenden!“

„Nur das nicht!“, stöhnte Vater Dorimedont vor Entsetzen. „Gib mir lieber einen Schluck gesalzenes Wasser.“

Als die Brüder das hörten, wunderten sie sich über seinen strengen Lebenswandel und verstärkten daraufhin ihr eigenes Fasten.

(aus dem Lesezyklus "Lektüre in der Adventszeit")



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